Newsletter 2017 / 10 | Vom Gedankenwirrwarr zu innerem Frieden

Welche Gedanken gehen dir unbemerkt durch den Kopf?

Dies ist relevant, denn es bestimmt, wie du die Welt siehst und erlebst. Im Yoga werden Gedanken als so konkret wie materielle Dinge betrachtet: sie bestehen aus Schwingungen, deren Frequenzen analog zur Qualität des Gedankens sind. Wenn wir zum Beispiel oft denken, dass das Leben hart und anspruchsvoll ist, dann wird sich uns das Leben von dieser Seite zeigen. Wir sind wie ein Sender, der Schwingungen einer bestimmten Frequenz sendet und dann bereit ist, Schwingungen desselben Frequenzbereiches wahrzunehmen. Um uns von der Tyrannei der automatisierten Gedankenprozesse zu befreien, müssen wir lernen, den Gedankenfluss bewusst durch unsere Aufmerksamkeit zu lenken. Je besser uns dies gelingt, desto mehr haben wir Einfluss darauf, wie sich unser Leben gestaltet.

Die Gedanken binden uns an unsere Vergangenheit. Sie sind die Summe all unserer Erfahrungen und bilden nach und nach unbewusste Gewohnheiten als Antwort auf Anforderungen unserer Umgebung oder von uns selber. Mit Hilfe unseres Bewusstseins können wir diese Muster erkennen und bewusst den Inhalt unserer Gedanken bestimmen. Dies bedingt eine konstante Aufmerksamkeit und eine bewusste Entscheidung unsererseits. Während der restlichen Zeit, in der unsere Aufmerksamkeit abschweift, funktionieren wir fast wie Roboter nach einem vorbestimmten Programm, welches uns nicht bewusst ist.

Hier geben wir einen Überblick über die Phasen und Anforderungen der inneren Reise vom chaotischen Gedankenwirrwarr zum inneren Frieden. Wir geben auch eine ganz einfache Übung mit auf den Weg, die es ermöglicht sich der eigenen Gedanken bewusst zu werden. 

Die unbewussten Muster des Geistes werden geformt durch gleichartige, wiederholte und unbewusste Gedanken. Sie werden beeinflusst durch unsere Erfahrungen in der Kindheit, durch die Gesellschaft, durch die Erziehung und Bildung, die wir durchlaufen. Diese Gedankenmuster wiederum führen zu unbewussten Verhaltensmustern. 

Erster Schritt: Erkennen der Notwendigkeit

Dies mag der schwierigste Schritt sein. Es ist nicht leicht uns einzugestehen, dass wir nicht frei bestimmen, was wir denken und zum Teil auch nicht  wie wir agieren und reagieren. Der Geist schützt sich selbst vor Veränderung indem er uns weis macht, dass er alles unter Kontrolle hat und alles in Ordnung ist. Das stimmt natürlich auch, bedeutet aber, dass das automatisierte Programm ohne Zwischenfälle abläuft und wir zu einem grossen Teil der Zeit mit Routine und unbewussten Handlungen funktionieren.

Wenn wir die Aufmerksamkeit auf unsere Gedanken lenken und uns bewusster werden, was in uns abläuft, kann das durchaus unangenehm sein. Es ist nicht leicht, bei der Sache zu bleiben, vertraute und bequeme Verhaltensmuster werden vielleicht in Frage gestellt und wir bemerken, dass die Verantwortung für unser Leben in unserer Hand liegt. Um unseren Geist zu zähmen brauchen wir viel Geduld und Selbstdisziplin, wie wenn wir zum Beispiel lernen, ein Instrument geschickt zu spielen. Der Geist ist wie ein ungezähmtes Tier, das sich nicht unterordnen und seine Freiheit behalten will. Solange der Geist aber nicht trainiert wird, sind wir seine Diener und tun, was er will. Sobald er gezähmt ist, sind wir diejenigen, die Befehle erteilen und der Geist ist unser williger Diener.

Zweiter Schritt: das Wahrnehmen der Gedanken

Bevor wir den Geist lenken lernen, bemühen wir uns darum, einfach wahrzunehmen, was im Geist vor sich geht. Wir beobachten die Gedanken, ohne sie zu beurteilen oder zu verändern. Je bewusster wir die Gedanken wahrnehmen, desto mehr erkennen wir deren pausenlosen, planlosen Strom. Kaum eine Sekunde vergeht, in der wir nichts denken, assoziativ hüpft der Geist von einem Gedanken zum nächsten. 

Die folgende Methode ist ein Teil unseres Traditionellen Yogakurses und hilft uns, Distanz zu gewinnen zu unseren Gedanken. Wir lernen sie wahrzunehmen ohne uns mit ihnen zu identifizieren.

  • Für diese Methode brauchst du eine analoge Uhr mit einem Sekundenzeiger. Am besten ist es, wenn man kein Ticken hört. (Sehr gut ist zum Beispiel das App “Analog Clock” für Android).
  • Sitze in einer komfortablen Position mit aufrechter Wirbelsäule und platziere die Uhr dir gegenüber auf Augenhöhe.
  • Schliesse die Augen und entspanne dich tief. Lass alle alltäglichen Sorgen los und mache dich frei von jeglichen Erwartungen.
  • Öffne nun die Augen und richte deinen Blick und deine Aufmerksamkeit in einer entspannten Weise auf den Sekundenzeiger. Fokussiere deine ganze Aufmerksamkeit nur auf die Spitze des Sekundenzeigers und folge seiner Bewegung.
  • Wenn du bemerkst, dass Gedanken oder traumartige Bilder in deinem Geist auftauchen (was normalerweise nach 2-10 Sekunden vorkommt), dann bring die Aufmerksamkeit zurück zum Zeiger.
  • Zum Schluss schliesse die Augen und bemerke die Wirkungen der Übung auf deinen Geist.

Starte mit 5 bis 15 Minuten pro Tag. Es ist viel fruchtbarer jeden Tag 10 Minuten ein Jahr lang zu praktizieren als 2 Stunden pro Tag für 2 Wochen, auch wenn die Summe der Zeit die gleiche ist. Zu Beginn hast du vielleicht das Gefühl, dass du eher Rückschritte als Fortschritte machst. Das ist deshalb so, weil du dir der Aktivität deines Geistes viel bewusster wirst. Gib nicht auf. Beachte den Zustand von tiefer Entspannung während der Übung und nimm die Gedanken wahr ohne sie zu beurteilen oder zu bekämpfen. Durch Widerstand erhalten die Gedanken Energie, deshalb lass sie einfach vorbeiziehen und begib dich in die Position eines neutralen Beobachters. Dies wird die Gedanken nach und nach schwächer machen und weniger aufdringlich werden lassen.

Dritter Schritt: Fokussieren der Aufmerksamkeit

Ebenso wichtig wie das Fokussieren unserer Aufmerksamkeit durch passende Methoden ist das Entwickeln einer bewussten Haltung in jedem Moment unseres alltäglichen Lebens. Je freier wir sind von der Identifikation mit unseren Gedanken, desto mehr können wir unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, was wir in dem Moment wählen, z.B.  die Handlung, die wir gerade ausführen. Der innere Strom der Gedanken wird jetzt bewusst auf den Moment gelenkt und auf das, was wir gerade tun. Die Gedanken wirken nun so unterstützend und führen uns nicht fort, von dem was wir gerade tun. Dies führt zu einem Gefühl von grösserer Präsenz und Ausgeglichenheit. Es ist auch möglich die Gedanken auf einen bestimmten positiven Zustand zu lenken, der uns Wohlergehen und Harmonie bringt, wie z. B. der Zustand von Optimismus.

Vierter Schritt: Innerer Frieden

Wenn die Aufmerksamkeit spontan und leicht gelenkt werden kann, ist es möglich, ganzheitliche innere Zustände zu nähren und aufrecht zu erhalten. Um die Qualität der Aufmerksamkeit weiter zu vertiefen, ist es nötig, sie mehr und mehr nach innen zu richten: die Praxis von Aufmerksamkeit wird zu einer Vertiefung der Selbst-Erkenntnis. Das Bewusstsein dringt tiefer ein und verbindet sich mit den emotionalen und spirituellen Ebenen unseres Wesens. Die Tiefe der Selbsterkenntnis, die erreicht werden kann durch Selbstbeobachtung ist unbegrenzt. Die Fähigkeit ganz im Moment zu leben wird deutlich grösser und die Erfahrung des Alltags wird meditativ. Die Aufmerksamkeit ist verankert in den Tiefen des Wesens, in der Seele, und die Wahrnehmung der Umgebung durch die Sinne geschieht auf harmonische Weise, ohne die Verbindung nach innen zu unterbrechen. Die Erfahrung der Wirklichkeit wird nun nicht mehr getrübt durch den Filter der willkürlichen Gedanken, sondern der Geist ist wie ein spiegelglatter See, der das Umgebende klar wiedergibt.

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