Das Prinzip der Polarität besagt, dass alle manifestierten Dinge ‚zwei Seiten‘ haben, ‚zwei Aspekte‘, ‚zwei Pole‘, und dass ‚alles sein Gegenteil hat‘, mit mannigfaltigen Abstufungen zwischen den beiden Extremen.“ – Kybalion (ein Text der hermetischen Weisheit)
Polarität ist ein Ausdruck der universellen Dualität. Um die Polarität besser zu verstehen, muss man davon ausgehen, dass das Universum eine Einheit ist, die ständig zwei Pole hervorbringt, die nebeneinander existieren. Die Idee oder der Plan des Universums, der sich in der Schöpfung entfaltet, wird durch die ständige, dynamische Erzeugung der Gegensatzpaare ermöglicht.
In der alten chinesischen Weisheit wird das Symbol von Yin und Yang durch einen Kreis ausgedrückt, der zu gleichen Teilen in eine schwarze und eine weisse Hälfte unterteilt ist. Jede Hälfte des Kreises enthält einen Punkt in der entgegengesetzten Farbe. Das Yin, die schwarze Hälfte, und das Yang, die weisse Hälfte, stehen jeweils für unterschiedliche Qualitäten.
Dieses Symbol zeigt, dass die Gegensätze miteinander verbunden sind und nicht ohne einander existieren können. Sie sind Teil desselben Ganzen, und die beiden gegensätzlichen Eigenschaften können in Harmonie existieren und sich gegenseitig ergänzen. Dieser letzte Aspekt wird durch die weiche „S“-Form dargestellt, die die beiden Hälften trennt, und nicht durch eine scharfe Linie. Die kleinen Kreise innerhalb jeder Hälfte zeigen, dass nichts absolut ist. In jedem Yin gibt es unweigerlich auch ein Yang und umgekehrt. Der äußere Kreis dieses Symbols steht für die Gesamtheit des Universums.
Tantrische Sichtweise der Polarität
Im Tantra wird gesagt, dass, „alles, was existiert, ist eine Schöpfung der beiden komplementären Prinzipien: männlich und weiblich. In der Schöpfung wird das Höchste zu Shiva und Shakti, dem statischen und denmdynamischen Aspekt des transzendentalen Bewusstseins.“
Das gesamte Universum wird durch den kosmischen Liebesakt zwischen Shiva, dem Bewusstsein oder dem männlichen Prinzip, und Shakti, der Energie oder dem weiblichen Prinzip, aufrechterhalten. Shiva und Shakti, das kosmische Paar, stellen archetypische polare Gegensätze dar: männlich und weiblich; Yang und Yin. Shiva wird durch den aufgerichteten Lingam oder Phallus symbolisiert, Shakti durch die allumfassende Yoni oder Vulva. Der Lingam und die Yoni sind polare Gegensätze, aber gleichzeitig ergänzen sie sich perfekt und vereinen sich leicht in liebender Ekstase.
Die bewusste Nutzung und Verstärkung der polaren Anziehung ist ein geheimer Schlüssel zum Glück in einer Paarbeziehung. Sie hält Anziehung und Leidenschaft lebendig und liefert die notwendige Energie für die Vergeistigung der beiden Liebenden.
Je stärker die männlichen und weiblichen Energien in einem Paar sind, desto stärker ist die Anziehung zwischen den beiden. Wenn also eine Frau in ihrer Weiblichkeit wirklich entspannt ist und ein Mann sich in seiner Männlichkeit wohlfühlt, ist es viel einfacher, in einer Beziehung Erfüllung zu finden. Wenn ein Mann seine männlichen Qualitäten steigert, wird er in der Lage sein, auch die wunderbaren weiblichen Qualitäten in sich aufzunehmen, und wenn eine Frau ihre Weiblichkeit steigert, kann sie gleichzeitig die männlichen, bewussten Qualitäten entwickeln, ohne ihre Weiblichkeit zu verlieren.
Wenn Yin und Yang in einem Mann oder einer Frau vollständig ausgeglichen sind, erwacht ein ganz besonderer Bewusstseinszustand, der als der glorreiche androgyne Zustand bekannt ist, der mit dem Nullpunkt oder dem neutralen Zustand verbunden ist, in dem sich Plus und Minus in perfekter Balance vereinen. Der androgyne Zustand stärkt und erweckt die spirituelle Kraft des Wesens.
Konkrete Methoden, wie die individuelle Polarität ausgeglichen werden kann:– Gesunder Schlaf: Ausreichend und früh zu schlafen erhöht die Yang-Energien.
- Bewegung: Sie bewirkt eine tiefere Atmung, wodurch der Körper mehr solar (yang) wird.
- Die Praxis liebeserotischer Kontinenz: Trennung von Orgasmus und Ejakulation im Liebesakt verstärkt die Yang-Energien.
- Stressreduzierung: Stress hat eine starke Yin-Wirkung auf den Körper, entzieht uns lebenswichtige Nährstoffe und schädigt das System, was zu Degeneration führt.
- Teilnahme an Vira- und Shakti-Gruppen: Gruppen speziell für Frauen, Shakti-Gruppen genannt, und für Männer, Vira-Gruppen genannt, in denen spirituelle Vorstellungen und Praktiken, die in direktem Zusammenhang mit dem Weiblichen und Männlichen stehen praktiziert werden.
- Praxis von kontemplativem Hatha Yoga: Hatha bedeutet die „Vereinigung von Sonne und Mond“, wobei die Sonne den männlichen, yang-ausstrahlenden Aspekt und der Mond den weiblichen, yin-empfangenden Aspekt darstellt. Viele Yogastellungen, wie sie in unserer Schule praktiziert werden, arbeiten direkt am Ausgleich der Yin- und Yang-Aspekte der verschiedenen Ebenen des Praktizierenden.